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st.jakobus

grossauheim falsch verputzt?

22 | 05 | 2005
Pfarrer Hans-Paul Dehm ist ein großer Großauheimer. Unsereins schafft es kaum, das Wohnzimmer neu zu tapezieren, er renoviert gleichzeitig seine beiden Kirchen. Und hält dabei auch noch seine Schäfchen beisammen. Das hat himmelhohes Lob verdient: Bravo! Doch wie so oft schlägt das Schicksal gerade die Tapferen und Aufrechten. Seit einem Dreivierteljahr ruht das Handwerk an der Jakobuskirche. Die Hälfte der Kirche sei mit dem falschen Mörtel verputzt worden, sagt Pfarrer Dehm.
Nun wird in alle Himmelsrichtungen ermittelt, wer denn für die bautechnische Schieflage geradezustehen hat und wie und wann es denn weitergeht mit dem barocken Gotteshaus. Das alles ist natürlich kein Zufall. Denn wir Großauheimer haben so unsere Last mit den Fassaden.
Die Sozialpädagogen unter uns bewerten ausschließlich die inneren Werte, den guten Kern, der oft unter trister Hülle versteckt ist. Doch leider gibt sich ein großer Teil der Menschheit weniger korrekt. Da muß das Outfit stimmen, der Putz glänzen. Schauen wir doch nur auf Stiefmutter Hanau: An deren Fassade wird geschminkt, gestrafft und geliftet, was das Zeug hält und die leere Kasse hergibt. Mit großem Getöse werden Events gelauncht und Locations gepusht. Falls wir uns noch erinnern können: Da wird ein Saufgelage in knapp zehn Hanauer Kneipen zum Highlight des Jahres erhoben und mit promilleträchtigen Bildern durch die Presse gejagt. Da gibt es einen Riesen-Rabbatz um Schauspieler-Sprinkleranlagen bei den Märchenspielen. Da werden die kleinen, feinen - wenn auch leicht elitären - Schloßkonzerte im Main versenkt. (Vielleicht geht Prof. Alois Kottmann back to the roots und wird in seinem Geburtsort musikalisch aktiv? -Wir würden den Exil-Auheimer gerne aufnehmen.)
Als vermeintlicher Ersatz klingen wohl demnächst feurige ungarische Operettenmelodien durchs blutleere CPH. Heißa Juchhei! Eins steht jetzt schon fest: Die Plakate werden größer und bunter, die Werbung greller und eventgerechter. Das Heißluftgebläse des Hanauer Komödienstadels brummt ununterbrochen. Doch wehe, wenn der Strom ausfällt: Dann schrumpft die Traglufthalle Hanau zusammen wie ein geplatzter Luftballon.
...Was das jetzt mit Großauheim zu tun hat? Wir Großauheimer erkennen natürlich jegliches Blendwerk und den Hohlraum dahinter. Wir schätzen Qualität und Substanz. Aber leise, graue Mäuslein werden leicht übersehen und nur die lauten, bunten Tierchen finden Beachtung. Das ist ungerecht. Wir müssen uns mehr um unser Outfit kümmern. Ein schöner Außenputz ist wichtig, er macht gespannt auf die inneren Werte. Gehen wir dabei so behutsam vor wie Pfarrer Dehm: Lassen wir nur das Beste an uns heran. Mit großem Geschrei angepriesener Billig-Mörtel glitzert nur kurz und bekommt schon bald die ersten Risse.
Also, mächtiges Hanau, laß nicht nur Seifenblasen blubbern: Entwickle deine Visionen auf festem Grund, investiere in bleibende Werte, sorge dich um dauerhafte Größe. Nur Putz von feinster Qualität soll uns gut genug sein. Den haben wir und unser fast 1200 Jahre altes Auheim verdient! => zurück zur auswahl

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